Das Internet ist etwas Tolles!
Für jede Frage gibt es eine Antwort. Sogar mehrere.
Dann muss man ja gar nicht mehr selber nachdenken.
Oder?
Fortschritt ist etwas Gutes, keine Frage. Als Informatiker, Techie und „Geek“ gehöre ich sowieso zu den größten Befürwortern von neuen Erfindungen.
Es kommt aber auch darauf an, was man daraus macht.
Beispiel: Beinahe jede(r) von uns läuft mit einem kleinen, flachen Gerät aus Metall, Glas und Plastik herum, das Zugang zum gesamten Wissen der Menschheit in Sekunden gewährt.
Vor nur einer Generation wäre das noch Science-Fiction gewesen.
Und was machen wir damit?
Wir lassen bunte virtuelle Süßigkeiten zerplatzen, wischen uns durch Hundertschaften belangloser Promi-Bilder oder tauschen Klatschgeschichten aus.
Das verrät ein Blick in eine typische U-Bahn, morgens auf dem Weg zur Arbeit.
Manchmal befragen wir das magische Kästchen doch noch nach seinem Wissen: „Was ist die beste Diät“, gebe ich ein.
Die Antwort ist eine Top-Ten-Liste: „1. Low Carb: Die Trend-Diät der Stars, 2. FDH: Abnehmen ohne Plan. 3. Formula-Diät: Mit Shakes zum Wunschgewicht. 4. Fettblocker: Bye-bye Bauchspeck.“ Und so weiter.
Und das ist nur einer von 16,4 Millionen Ergebnissen für „Die beste Diät“.
Daten alleine reichen nicht
Das ist nämlich das Problem mit dem Zugang zum Wissen der gesamten Menschheit: Mit Daten alleine kommt man nicht weiter. Sie müssen auch einen Sinn ergeben. Und das erreicht man nur durch Nachdenken.
Soweit kommt es aber häufig nicht: Wir nehmen das erstbeste Ergebnis, probieren herum, wundern uns, dass es nicht klappt und geben dann auf.
Je nach Aufmerksamkeitsspanne und Fragestellung dauert der ganze Vorgang zwischen einer Minute und einer Woche, selten länger.
Manchmal entscheiden wir uns für eine Antwort, sind vielleicht hochmotiviert und setzen sie gar für längere Zeit um.
Dann kommen die Zweifel:
„Du machst Low-Carb? Ist das nicht ungesund?“
„Paleo? Das ist doch wie Atkins, ist der nicht tot?“
„Mein Arzt hat gesagt, ich soll die Finger von Fett lassen, sonst bekomme ich hohes Cholesterin!“
Denn für jede Meinung gibt es eine Gegen-Meinung und für jedes Suchergebnis ein Gegenergebnis.
Allein eine zu große Auswahl von Möglichkeiten reicht aus, um Entscheidungen zu lähmen.
In einem berühmten Experiment verglichen die Forscher ein Angebot von 6 Marmeladen-Sorten mit einem Angebot von 24 Sorten Marmelade in einem Supermarkt.
Das Ergebnis: Eine beschränkte Auswahl von 6 Sorten Marmelade verkauft sich 10 mal besser als überwältigende 24 Sorten.
Der Grund: Analysis Paralysis. Es ist anstrengend, sich zu entscheiden, daher entscheiden wir uns lieber für das bequemere Nichts-Tun.
Marmelade ist vielleicht ein harmloses Beispiel, doch ähnliche Fälle gibt es auch in der Finanzwelt: Je mehr Investment-Fonds für die Betriebsrente angeboten werden, desto weniger Mitarbeiter nehmen daran teil. Auch, wenn tausende von Euro Zuschüsse winken.
Was hat das mit Ernährung zu tun?
Blog-Kommentare, Facebook-Diskussionen und meine eigene Mailbox sind voll mit Menschen, die sich nicht entscheiden können.
Sie sind verunsichert ob der großen Auswahl an Diäten, Ernährungsprogrammen, Rezepten, Tipps und was das Internet sonst noch zum Thema „Ernährung“ oder „Gesundheit“ hergibt.
Und das lähmt. Genauso wie bei den Marmeladen und den Fonds.
Wer denkt, gewinnt
Auch wenn es anstrengend ist – selber Denken ist immer besser.
Die Fülle von Daten im Internet sind nämlich nur das: Daten. Irgendwann wiederholen sie sich, irgendwann hast Du genug Artikel gelesen, Blogs recherchiert und Bücher gelesen.
Dann kommt der nächste Schritt: Setze die Puzzlesteine zusammen und baue Dir Dein eigenes Modell von der Welt. Mach Dir ein Weltbild!
Finde heraus, was Sinn macht und was nicht. Was funktioniert und was nicht. Was Dein Weltbild bereichert und was nicht.
Mach Experimente, baue Dir Deine eigene Wissens-Pyramide auf.
Hab keine Angst, Dein Modell im Kopf umzuschmeißen, wenn neue Fakten Deinen Glauben erschüttern.
Recherchieren, nachdenken und Modelle im Kopf bauen macht Arbeit, keine Frage.
Aber das macht auch Spaß: Was für ein tolles Gefühl, wenn man einen Aha-Moment erlebt, ein Experiment gelingt oder man seine Ziele aus eigener Kraft erreicht.
Tipps für weniger Informationsflut und mehr selber denken
Die heutige Informationsgesellschaft steckt voller Chancen, aber sie bietet auch jede Menge „Fastfood fürs Hirn“. Wie Pommes und Pizza kann falsche Informations-Kost krank machen.
Hier ein paar Tipps für mehr eigenständiges Denken und weniger Rauschen im Kopf:
- Du bestimmst, was Du liest/siehst/hörst und nicht andere: Lass Dich nicht von „Clickbait“-Überschriften („5 Gründe warum das die krasseste Ernährung ist …“), Hohlen Schlagzeilen oder Glitzer-Themen ablenken, denn dabei handelt es sich nur um ein Lockmittel mit wenig Informationsgehalt. Stell Dir lieber selber Deine Lektüre zusammen. Mit dem Ziel, über ein Thema zu lernen, das Dich wirklich interessiert.
- Finde heraus, welche Motive der/die Autor/in hat. Jede/r Autor/in hat ein Ziel, sonst würde sie/er nicht schreiben. Massenmedien versuchen, Anzeigen zu verkaufen, politische, religiöse, Lobby- oder andere Organisationen versuchen, Meinungen zu beeinflussen und Hersteller wollen ihre Bücher oder Produkte verkaufen. Ein Motiv ist nichts Schlechtes, denn niemand schreibt ohne Motiv. Es ist trotzdem gut, zu wissen, warum jemand schreibt.
- Ergibt das, was Du liest/siehst/hörst einen Sinn? Sind die Inhalte logisch nachvollziehbar? Oder handelt es sich nur um eine Aneinanderreihung von „Fakten“, ohne Quellen zu nennen oder die schwer nachvollziehbar sind?
- Sind die Inhalte aus erster Hand? Oder sind die Quellen zumindest klar erkennbar? Was steht in der Original-Quelle drin?
- Ist der Ton sachlich? Oder geht es eher darum, an Deine Gefühle zu appellieren, um Deinen Verstand zu umgehen und Dir eine Meinung zu „verkaufen“?
- Kannst Du die Behauptungen selbst überprüfen? Kannst Du das, was Du liest, selber ausprobieren? Wenn ja, dann tu es! Wenn nicht: welche Relevanz hat der Text für Dich, wenn Du daraus keine Handlung ableiten kannst?
- Geht es um etwas Nützliches? Oder sind es Belanglosigkeiten, die Dir nur wertvolle Aufmerksamkeit rauben?
Du siehst: Du kannst jederzeit die Informationen, die Dir serviert werden hinterfragen und Dir damit Deinen eigenen Virenscanner einrichten.
Denn auch Gedanken können viral sein, siehe die Memtheorie. Damit Gedanken sich viral verbreiten, müssen sie nicht stimmen. So entstehen auch sog. „urbane Mythen“, die sich allein durch ihren Grad an Aufmerksamkeit verbreiten. Der bekannteste solche Mythos: die Spinne in der Yucca-Palme.
Was wäre, wenn Deine tiefsten Überzeugungen sich nur als ein Mythos herausstellen würden?
Dann wäre es vielleicht Zeit, einmal aufzuräumen …
Photo: „woman leaning against door while holding her cheek“ von Unsplash-User Paola Aguilar, genutzt unter der freien Unsplash-Lizenz.
Von Constantin Gonzalez am 18.10.2018 in Allgemein.
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